Aminoglykoside
Zu den Aminoglykosiden zählen Streptomycin, das nur für die Therapie der Tuberkulose eingesetzt wird und hier deshalb keine Berücksichtigung findet, sowie Amikacin, Gentamicin, Netilmicin und Tobramycin und das lokal anwendbare Paroromycin.
Sie sind wirksam im gramnegativen Bereich, vor allem gegen Enterobaceriaceae. Bei Pseudomonas-Infektionen besitzen Tobramycin und Amikacin einen Vorteil gegenüber anderen Ami-noglykosiden. Die Wirkung auf grampositive Erreger ist wenig ausgeprägt, doch werden sie auch für Infektionen mit Enterokokken in Kombination mit Betalaktam-Antibiotika eingesetzt, um deren Wirkung zu verstärken und den Eagle-Effekt aufzuheben.
Aminoglykoside wirken auf ruhende und proliferierende Erreger bei aerober Stoffwechsellage durch Hemmung der ribosomalen Proteinbiosynthese und Bildung von „Nonsens“-Proteinen. Sie zeigen eine starke konzentrationsabhängige bakterizide Wirkung mit einem ausgeprägten postantibiotischen Effekt. Der Serum- bzw. Gewebespiegel sollte nach Möglichkeit mindestens das 5-fache der MHK90 des Erregers überschreiten. Der postantibiotische Effekt der Aminoglykoside kann in Abhängigkeit vom Serumspiegel, dem Kombinationspartner und dem Immunstatus des Patienten mehrere Stunden andauern. Die Wirkung der Aminoglykoside ist abhängig vom pH-Wert, im sauren anaeroben Milieu sind sie unwirksam.
Zulassung/Verfügbarkeit
Die Aminoglykoside sind parenteral verfügbar. Zugelassene Indikationen sind schwere (nosokomiale) Infektionen durch gramnegative Stäbchen, so auch bei Pseudomonas-Infektionen im Rahmen einer zystischen Fibrose. Aminoglykoside dürfen für diese Behandlungen niemals in Monotherapie gegeben werden. Nach Möglichkeit werden sie mit einem Betalaktam-Antibiotikum kombiniert, um einen sy-nergistischen Effekt zu erzielen. Bei sachgerechter Anwendung (1 x täglich, kurze Behandlungsdauer, Drug-Monitoring) sind sie als wertvolle Substanzen mit akzeptabler Verträglichkeit anzusehen.
In der Regel werden die Aminoglykoside nur zur Kurzzeittherapie (3 bis 5 Tage) eingesetzt. Wegen ihrer schlechten Gewebegängigkeit in die Lunge (Gewebespiegel ca. 1/3 der Serumspiegel) werden sie heute bei der Behandlung von Atemwegsinfektionen nur noch in Sonderfällen empfohlen.
Die orale Gabe von Aminoglykosiden eignet sich wegen mangelnder Resorption aus dem Gastrointestinaltrakt nicht zur systemischen Therapie. Zur lokalen oralen Behandlung des Darms ist nur Paromomycin im Handel.
Paromomycin ist zugelassen zur Prophylaxe und Therapie der portosystemischen Enzephalopathie, zur präoperativen Reduktion der Darmflora und zur Therapie des nichtinvasiven Amöbenbefalls des Darmlumens. Die Substanz hat somit nur geringe Bedeutung im ambulanten Bereich. Paromomycin ist in der Schwangerschaft und Stillzeit kontraindiziert. Die systemische Bioverfügbarkeit der Substanz nach enteraler Applikation ist äußerst gering. Paromomycin wird nahezu vollständig und unverändert fäkal ausgeschieden. Dennoch ist Vorsicht geboten bei Patienten mit ausgedehnten Läsionen der Darmschleimhaut.
Pharmakokinetik
Aminoglykoside verteilen sich extrazellulär. Die Proteinbindung ist mit < 10 % gering. Das relative Verteilungsvolumen liegt bei ca. 0,25 l/kg KG mit einer inter- und intraindividuellen Schwankungs-breite von 0,1 bis 0,8 l/kg Körpergewicht. Die Halbwertszeit der unverändert renal eliminierten Substanzen liegt bei nierengesunden Patienten bei ca. 2 Stunden, doch können bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion deutlich längere Werte erreicht werden. Eine Berücksichtigung der Creatinin-Clearance und ein therapeutisches Drug Monitoring ist daher insbesondere bei Risikopatienten eforderlich. Einer einmal täglichen Gabe der Gesamttagesdosis sollte der Vorzug vor allem in der Kombinationstherapie mit Betalaktam-Antibiotika gegenüber der konventionellen 3 x täglichen Dosie-rung gegeben werden, um einen möglichst hohen Spitzenspiegel zu erreichen. Es gibt Hinweise auf eine geringere Toxizitätsrate bei günstigeren klinischen Erfolgen unter der 1 x täglichen Dosierung. Als therapeutische Zielbereiche innerhalb eines 24-Stunden Dosierungsintervalls werden Talspiegel von 20 mg/l für Netilmicin und ca. 60 mg/l für Amikacin bei Patienten mit normaler Nierenfunktionsleistung angestrebt.
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen
Aminoglykoside haben ein ausgeprägtes oto- und nephrotoxisches Potenzial und sollten nur nach strenger Indikationsstellung eingesetzt werden. Dies gilt in besonderem Maße in der Schwangerschaft und Stillzeit.
INN | Handelsname | Standarddosierung* pro Tag |
Gentamicin | Refobacinâ, Generika | 3-6 mg/kg Körpergewicht in 1 ED |
Tobramycin | Gernebcinâ, Generika | 3-6 mg/kg Körpergewicht in 1 ED |
Zur Inhalation | Tobiâ | 600 mg in 2 ED inhalativ |
Netilmicin | Certomycinâ | 4-6 mg/kg Körpergewicht in 1 ED |
Amikacin | Biklinâ, Generika | 10-15 kg Körpergewicht in 1 ED |
* normalgewichtige Erwachsene ohne Einschränkung von Organfunktionen