Bronchitis akut exazerbierte
Die Prävalenz der chronischen Bronchitis wird bei Erwachsenen in Deutschland wird auf 10 bis 15% geschätzt. Der Anteil chronisch obstruktiver Verlausformen ist nicht genau bekannt. Wesentliche Risikofaktoren für das Auftreten einer chronischen Bronchitis sind patientenindividuelle Faktoren wie genetische Disposition (z.B. alpha-1 Antitrypsin Mangel), Asthma, hyperreaktive Überempfindlichkeit der Atemwege oder unzureichendes Lungenwachstum (z.B. nach Frühgeburten), schlechter sozioökonomischer Status, Zigarettenkonsum und Umwelteinflüsse wie Luftverschmutzung und Belastung am Arbeitsplatz durch Rauch oder Chemikalien. Daneben sind bakterielle Infektionen an der Pathogenese der chronischen Bronchitis beteiligt. Verschiedene Bakterienspezies sind in der Lage, durch die Bildung von Enzymen (IgA-inaktivierende Proteasen, Pneumolysine, Neuramidasen) lokale Abwehrmechanismen aufzuheben und in der Bronchialschleimhaut zu persistieren. Bei einer Exazerbation der chronischen Bronchitis werden in über 50 bis 80 % der Fälle pathogene Bakterien nachgewiesen.
Häufige Ursachen von Exazerbationen sind virale und bakterielle Atemwegsinfektionen. In ca. 30% der Fälle ist die Ursache unklar. Die häufigsten bakteriellen Erreger sind Haemophilus influenzae, Streptococcus pneumoniae, Moraxella catarrhalis, Enterobaceriaceae und Pseudomonas aeruginosa.
Bei der akuten exazerbierten Bronchitis wird mit fortschreitender Erkrankung ein zunehmend gramnegatives Erregerspektrum nachgewiesen. Dabei handelt es sich um eine Selektion als Folge multipler Antibiotika-Therapien.
Patienten mit chronischer obstruktiver Bronchitis (COPD) können entsprechend den Gold-Kriterien (Tab.1) nach dem Schweregrad ihrer Erkrankung differenziert werden, wobei zu dessen Einschätzung die Symptome und mindestens zwei spirometrische Messungen in der stabilen Phase der Erkrankung als Parameter herangezogen werden. Diese Messungen bestehen aus der forcierten Exspiration in einer Sekunde (FEV1) und aus dem Quotienten FEV1/FVC, wobei FVC die forcierte Vitalkapazität darstellt. Das Verhältnis FEV1/FVC liegt zwischen 70% und 80% bei normalen Erwachsenen; ein Wert kleiner als 70% zeigt die Atemwegsobstruktion und damit die Möglichkeit einer COPD. FEV1 wird durch Alter, Geschlecht, Größe und Rasse beeinflusst. FEV1 sollte daher am besten als Prozent eines vorhergesagten Normalwertes ausgedrückt werden. Es gibt eine umfangreiche Literatur über Normalwerte. Da die Übergänge der Schweregrade fließend sind, stellt im Zweifelsfall die Lungenfunktion (FEV1) das entscheidende Kriterium dar. Eine chronische nicht obstruktive Bronchitis wird nach den GOLD-Kriterien dem Schweregrad 0 zugeordnet. Sie ist die häufigste Form des chronischen Hustens (Therapie siehe Tracheobronchitis).
Tab. 1 Klassifikation der COPD
Schweregrad | Merkmal |
I | Milde COPD FEV1/FVC < 70% FEV1 >80% Mit oder ohne chronische Symptomatik: Husten, Sputumproduktion |
II | Mittelschwere COPD FEV1/FVC < 70% 50% < FEV1 < 80% Mit oder ohne chronische Symptomatik: Husten, Sputumproduktion |
III | Schwere COPD FEV1/FVC < 70% 30% < FEV1 < 50% Mit oder ohne chronische Symptomatik: Husten, Sputumproduktion |
IV | Sehr schwere COPD FEV1/FVC < 70% FEV1 < 30% oder FEV1 < 50% Chronisches respiratorisches Versagen |
FVC (forcierte Vitalkapazität): maximales Luftvolumen, welches während eines forcierten Manövers ausgeatmet werden kann. FEV1 (forciert exspiriertes Volumen in einer Sekunde): Volumen, welches in der ersten Sekunde einer maximalen Exspiration ausgeatmet werden kann. Die Exspiration folgt einer maximalen Inspiration. FEV1 ist eine Messgröße, die zeigt, wie schnell die Lungen geleert werden können. FEV1/FVC: Quotient als klinisch nützlicher Parameter, um die Atemwegsobstruktion anzuzeigen. |
Klinik
Leitsymptome der akuten Exazerbationen der chronischen Bronchitis sind vermehrter Husten, zunehmende Atemnot, Brustenge, vermehrte Produktion von Sputum und/oder Zunahme der Viskosität des Sputums und/oder gelb-grüne Verfärbung. Daneben können unspezifische Symptome wie erhöhte Ermüdbarkeit, Schlafstörungen, Depressionen und Bewusstseinseintrübungen auftreten.
Patienten mit Untergewicht, Hyperkapnie, vorbestehender Ruhe- und Belastungsdyspnoe, erkrankungsbedingter pulmonaler Hypertonie und erhöhtem Alter haben dabei ein erhöhtes Risiko für eine Exazerbation.
Therapie
Zu den Basismaßnahmen der Behandlung einer akut exazerbierten chronischen Bronchitis zählen die antiobstruktive Therapie (z.B. Beta 2- Sympathomimetika, Parasympatholytika, Theophyllin-Derivate), Kortikoidtherapie und kontrollierte Sauerstoffgabe.
Die Indikation zur Antibiotika-Therapie wird in Abhängigkeit der Schwere der Erkrankung, patientenindividueller Risikofaktoren und Begleiterkrankungen gestellt.
Eine mikrobiologische Diagnostik des Sputums wird nur bei Patienten mit schweren Verlaufsformen, häufigen Exazerbationen oder bei Verdacht auf resistente Erreger empfohlen.
Die Antibiotika-Therapie orientiert sich an dem Schweregrad der Erkrankung (Tab. 2).
COPD Schweregrad I
Eine akute Exazerbation der chronischen Bronchitis vom Schweregrad I ist gekennzeichnet durch eine kurze Anamnese ( 50 %/Soll und ohne weitere Komorbidität. Ätiologisch finden sich häufig Streptococcus pneumoniae und Haemophilus influenzae. Chlamydien spielen eine noch nicht abschließend geklärte, aber vermutlich untergeordnete Rolle.
Die exazerbierte Bronchitis in einer leichten Form ist meist selbstlimitierend und wird in der Regel nicht therapiert. In Ausnahmefällen kann eine Antibiotika-Therapie erfolgen, die zu einer symptomatischen Besserung führen kann, deren Effekt auf den Langzeitverlauf allerdings nicht gesichert ist. Falls eine Indikation besteht, sollte die antimikrobielle Behandlung möglichst oral über fünf bis sieben Tage durchgeführt werden. Dazu eignen sich Cephalosporine (Cefuroxim-Axetil, Loracarbef, Cefpodoxim-Proxetil, Ceftibuten), Amoxicillin ± BLI, und Makrolide wie Clarithromycin oder Azithromycin.
COPD Schweregrad II
Der Schweregrad II der akut exazerbierten chronischen Bronchitis ist charakterisiert durch eine längere Anamnese (> 3 Jahre) mit weniger als drei Exazerbationen pro Jahr bei leichter bis mittelschwerer Obstruktion mit einem FEV1 35 bis 50 %/Soll und zum Teil Komorbidität. In der Regel ist eine ambulante orale Antibiotika-Therapie möglich, die über fünf bis sieben (zehn) Tage fortgeführt wird. Leitkeime sind Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae, Moraxella catarrhalis und Staphylokokken. Seltener werden, insbesondere bei antibiotisch vorbehandelten Patienten, Enterobaceriaceae (Klebsiellen) nachgewiesen. Wie auch beim Schweregrad I muss gegebenenfalls Chlamydia pneumoniae berücksichtigt werden. Zur antiinfektiven Behandlung werden Cephalosporine wie Cefuroxim-Axetil, Loracarbef, Cefpodoxim-Proxetil, Aminopenicilline/BLI (80% der Moraxella Stämme bilden Betalaktamasen) und die Fluorchinolone Levofloxacin oder Moxifloxacin empfohlen. Die Therapie sollte möglichst oral über fünf bis sieben (zehn) Tage durchgeführt werden.
COPD Schweregrad III und Schweregrad IV
Die chronisch deformierende Bronchitis mit dem Schweregrad III und IV besteht bei einer mehr als 6 Jahre währenden Anamnese, häufigen Krankenhausaufenthalten und mehr als 3 Exazerbationen pro Jahr, schwerer Obstruktion, einem FEV1 3/Jahr) rezidivierenden Infektionen und morgendlichem purulentem Sputum mit häufigen Blutbeimengungen und verstärkter Luftnot.
Für die Therapie stehen einige Substanzen zur Verfügung. Die Auswahl erfolgt patientenorientiert in Abhängigkeit besonderer Risikofaktoren und unter Berücksichtigung einer antibiotischen Vorbehandlung.
Die Therapie sollte zumindest initial parenteral je nach Schweregrad der Symptomatik mit einem Acylaminopenicillin/BLI (Piperacillin/BLI bzw. Mezlocillin/BLI) oder einem Cephalosporin der Gruppe 3a (Cefotaxim, Ceftriaxon) begonnen werden. Eine weitere Therapieoption ist der Einsatz von Ciprofloxacin in Kombination mit einem Pneumokokken-wirksamen Antibiotikum, Levofloxacin, Moxifloxacin oder einem Carbapenem der Gruppe 1 oder 2 (Imipenem/Cilastatin, Meropenem, Ertapenem).
Bei sehr schweren Verlausformen (IV) mit respiratorischem Versagen und Bronchiektasen werden vorzugsweise Substanzen mit Pseudomonas-Wirksamkeit eingesetzt, z.B. Piperacillin/BLI, Ciprofloxacin oder Ceftazidim jeweils in Kombination mit einem Pneumokokken-wirksamen Antibiotikum, Cefepim, Levofloxacin, Imipenem/Cilastatin oder Meropenem. Vielfach wird eine Kombinationstherapie von Betalaktam-Antibiotika mit Pseudomonas-wirksamen Fluorchinolonen oder Aminoglykosiden eingeleitet.
Eine Sequenztherapie ist bei raschem klinischen Ansprechen möglich. Die empfohlene Therapiedauer beträgt 10 Tage. Patienten mit infizierten Bronchiektasen sollten stationär über 10 bis 14 Tage parenteral behandelt werden.
Eine inhalative Therapie mit Colistin oder Tobramycin ist bei Nachweis manifester Bronchieektasen zu erwägen.
Tab. 2 Kalkulierte Initialtherapie der chronisch exazerbierten Bronchitis
Schwere-grad | Erreger | Antibiotikum | Therapiedauer |
I | Streptococcus pneumoniae | Cefuroxim-Axetil, Loracarbef | 5-7 Tage |
II | Streptococcus pneumoniae | Cefuroxim-Axetil, Loracarbef | 5-7 (10) Tage |
III/IV | Haemophilus influenzae | Piperacillin/BLI, Mezlocillin +BLI | 10 Tage |