Diphtherie
Infektionserkrankung von Haut und Schleimhäuten durch Corynebacterium diphtherie und spp.
Epidemiologie/Erreger
Infektionen durch Corynebakterien werden weltweit beobachtet. Die meisten Erkrankungen werden in gemäßigten Klimazonen mit einem saisonalen Morbiditätsgipfel im Herbst und Winter registriert.
Im westlichen Europa, in Nordamerika und in Japan tritt die Diphtherie nur noch sporadisch auf. In Deutschland beträgt die Häufigkeit weniger als 10 Fälle pro Jahr. Die meisten Fälle sind mit Auslandsaufenthalten oder Kontakten zu Personen aus Endemiegebieten assoziiert. Mitte der 1990er Jahre hatte es eine Epidemie in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion gegeben, die durch eine Zunahme der Erkrankungen bei Erwachsenen und dem Vorkommen von Erregern mit einer hohen Toxinausscheidung charakterisiert werden konnte.
Eine Grundimmunisierung mit dem Diphtherie-Toxoid wird bereits im frühen Kindesalter empfohlen. Eine Auffrischungsimpfung ist ca. alle 10 Jahre notwendig, wird aber nicht konsequent durchgeführt. Aus der Immunisierung resultiert eine Toxin-Immunisierung, sie schützt jedoch nicht vor einer Besiedlung oder einer Infektion. Die größte Ansteckungsgefahr geht von symptomatisch erkrankten Personen aus. Daher profitieren ungeimpfte Personen von hohen Impfquoten in der Bevölkerung (Herdenimmunität).
Die Diphtherie wird durch Corynbacterium diphtheriae und zunehmend auch durch Corynebacterium ulcerans verursacht. Es handelt sich um grampositive unbekapselte Stäbchenbakterien, die durch die Produktion von Toxinen ein besonders schweres Krankheitsbild verursachen können. Das Gen für das Toxinbildungsvermögen ist in spezifischen Corynephagen vorhanden; nichttoxigene Corynbactererium diphtheriae erwerben die Fähigkeit, Diphtherietoxin zu erzeugen, durch Infektion mit tox+-Phagen (Phagenkonversion).
Der Mensch ist das einzige Reservoir für Corynbacterium diphtheriae. Es liegen Hinweise vor, dass Haustiere (Hunde, Katzen, Pferde) als Erregerreservoir für Corynbacterium ulcerans in Frage kommen. Die Übertragung erfolgt durch Tröpfcheninfektion. Die Inkubationszeit beträgt in der Regel 2 bis 5 (8)Tage. Eine Ansteckungsfähigkeit besteht, solange der Erreger in Sekreten nachweisbar ist. Bei Unbehandelten ist dies meist ein Zeitraum von 2 bis 4 Wochen, nach antibakterieller Behandlung 2 bis 4 Tage.
Klinik
Nach dem Befall der Tonsillen beginnt die Erkrankung meist mit Halsschmerzen, Schluckbeschwerden und Fieber. Nachfolgend treten Heiserkeit, Stridor, Gaumensegellähmungen und Lymphknotenschwellungen auf, die zu einer Obstruktion der Atemwege (Krupp) und Erstickung führen können. Bei Befall des Kehlkopfes stehen bellender Husten und Heiserkeit im Vordergrund, bei Befall des Nasenraumes zeigt sich häufig ein serosanguinöser ein- oder beidseitiger Ausfluss aus der Nase. Es zeigt sich das klinische Bild einer Tonsillitis/Pharyngitis mit grau-weißen Pseudomembranen, die sich auf den gesamten Rachen und Gaumen ausbreiten können und einen charakteristischen süßlich-fauligen Geruch entfalten. Die Pseudomembranen lassen sich nur schwer entfernen, meist kommt es dabei zu Blutungen.
Die systemische Wirkung an Herz, Nerven und Nieren ist ursachlich auf die Toxinausschüttung zurückzuführen. Bei etwa 10 bis 25 % der Erkrankten entwickelt sich eine Myokarditis und bei der Mehrzahl eine toxische Neuropathie, die oftmals als Spätkomplikationen noch Wochen nach der akuten Erkrankung auftreten können. Weitere Komplikationen sind Nierenversagen, Enzephalitis, Hirninfarkt, Lungenembolie und Endokarditis. Der Tod tritt als Folge einer Atemwegsobstruktion oder eines Herzversagens ein. Die Letalität der Diphtherie liegt heute bei 5 bis 10%, bei unzureichender Versorgung steigt sie auf bis zu 25%.
Diagnose
Das klinische Bild erlaubt eine Verdachtsdiagnose. Die mikrobiologische Diagnostik durch ein Direktpräparat und eine Kultur ist zwingend vorgeschrieben. Der kulturelle Nachweis des Erregers erfolgt aus Rachen- (Abstrich unter der Pseudomembran) und Nasenabstrichen. Das Ergebnis der Untersuchung ist allerdings erst nach 3 bis 4 Tagen zu erwarten. Im mikroskopischen Direktpräparat können sich jedoch bereits Hinweise ergeben. Der Nachweis des Diphtherie-Toxins am isolierten Erreger erfolgt heute mit Hilfe der PCR-Methode. Falsch negative Ergebnisse durch den genetischen Sequenzunterschied verschiedener Corynebakterium- Arten ergeben (C. diphtheriae, C. ulcerans).
Es besteht bei Krankheit und Tod eine Meldepflicht. Bereits bei Verdacht auf Diphtherie ist eine sofortige Einweisung in das Krankenhaus und die Isolierung des Patienten ist erforderlich.
Therapie
Die Therapie erfolgt gezielt mit parenteral appliziertem Erythromycin oder Penicillin und der umgehenden Applikation eines Diphtherie-Antitoxins. Eine Sequenztherapie ist nach dem Abklingen der akuten Symptomatik möglich. Insgesamt sollte 14 Tage therapiert werden.
Bei persistierender Erkrankung wird eine Tonsillektomie durchgeführt. Tetracycline, Rifampicin und Clindamycin, können als Alternativpräparate bei Unverträglichkeiten eingesetzt werden.
Die frühzeitig (bereits beim klinischen Verdachtsfall!) eingeleitete Behandlung beeinflusst den Krankheitsverlauf und vermindert die Komplikationsrate.
Prävention
Eine Prävention besteht in der aktiven Immunisierung mit einem Toxoid-Impfstoff. Dabei wird eine antitoxische Immunität erzeugt, die Erkrankungen weitgehend verhindert, nicht aber eine Besiedlung oder Infektion.
Nach den Empfehlungen der STIKO sollte die Diphtherie-Impfung bei allen Personen ohne ausreichenden Impfschutz (d.h. bei fehlender oder unvollständiger Grundimmunisierung oder wenn die letzte Auffrischimpfung länger als 10 Jahre zurückliegt) durchgeführt werden. Die Grundimmunisierung erfolgt bei Säuglingen und Kindern mit 4 Impfungen im Alter von 2, 3, 4 Monaten (jeweils im Abstand von 4 Wochen) und zwischen dem 11 bis 14 Lebensmonat. Auffrischimpfungen sollen im Alter von 5 bis 6 Jahren und im Alter von 9 bis 17 Jahren vorgenommen werden. Bei den Auffrischungsimpfungen werden Impfstoffe mit einem geringerem Toxingehalt verwendet. Während die Grundimmunisierung in Deutschland bei 97 % der Kinder durchgeführt wird, werden die Auffrischungsimpfungen häufig nicht wahrgenommen. Die Folge ist ein unzureichender Impfschutz bei Erwachsenen. Vor Auslandsreisen in Endemiegebiete wird die Auffrischung dringend empfohlen, da hier der „Herdenschutz“ durch eine hohe Impfrate bei Kindern entfällt.
Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen: Siehe www.rki.de