Otitis
Die Otits ist eine Entzündung von Teilen des Ohres.
Akute Otitis media
Akute Entzündung der Mittelohrschleimhaut.
Epidemiologie/Erreger
Die Otitis media acuta ist eine sehr häufige Erkrankung im Kindesalter (selten bei Erwachsenen) mit einem saisonalen Gipfel in der kalten Jahreszeit. Sie tritt oft nach einer Virus-Infektion auf. 80 % der Fälle sind viral bedingt und nicht purulent, in etwa 20 % kommt es zu einer bakteriellen Superinfektion. In der Regel ist der Infektionsweg aszendierend über die Tuben. Leitkeime sind Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae, Staphylococcus aureus und Moraxella catarrhalis.
Klinik
In der Regel einseitiger scharf stechender Ohrschmerz mit Hörminderung. Bei Kleinindern besteht fast in jedem Fall ein zwanghaftes Greifen zum Ohr. Häufig treten Fieber und Abgeschlagenheit auf.
Diagnose
Die Diagnose erfolgt durch Inspektion, Palpation und Ohrmikroskopie. Es zeigt sich eine Hyperämie und eine Trübung der Trommelfelloberfläche. Eine Hörprüfung ist insbesondere zur Verlaufskontrolle zu empfehlen.
Eine routinemäßige mikrobiologische Diagnostik ist nicht notwendig.
Therapie
Die antibiotische Therapie bei Erwachsenen kann oral in leichten Fällen ohne Risikofaktoren mit Amoxicillin begonnen werden. Bei Allergie oder schweren Verläufen erfolgt die Initialtherapie mit einem Cephalosporin (Cefuroxim-Axetil, Loracarbef, Cefpodoxim-Proxetil), Aminopenicillinen/BLI, einem Makrolid oder alternativ Levofloxacin bzw. Moxifloxacin (nicht in der Pädiatrie). Die Fluorchinolone sind nicht für die akute Otitis media im Erwachsenenalter zugelassen. Es muss ein Off-Label-Use dokumentiert werden. Als Therapiedauer werden fünf bis zehn Tage empfohlen.
Zur konservativen symptomatischen Therapie sollten abschwellende Nasentropfen verabreicht werden (siehe auch Rhinitis). Bei ausgeprägtem Schmerzempfinden können Analgetika und bei Mitbeteiligung des kochleovestibulären Organs Glukokortikoide sinnvoll sein. Liegt eine schmerzhafte Trommelfellvorwölbung oder ein protahierter Verlauf vor, kann eine Parazentese vorgenommen werden.
Chronische Otitis media
Die chronische Otitis media ist keine Abart der akuten Otitis media. Sie tritt auf nach Tubenbelüftungsstörungen mit Trommelfellperforation. Es treten intermittiernde entzündliche Episoden mit Sekretion (laufendes Ohr) auf.
Epidemiologie/Erreger
Chronische Entzündungen sind die Folge von Belüftungsstörungen der eustachischen Röhre, deren Aufgabe durch einen Defekt im Trommelfell ersetzt wird. Durch die Trommelfellperforationen werden Infektionen des Mittelohres erleichtert. Dies tritt vornehmlich im Kindesalter auf.
Werden Plattenepithelzellen des Trommelfells durch einen bestehenden Unterdruck in das Mittelohr eingesenkt, kann es zur Ausbildung eines Cholesteatoms kommen.
Als Erreger kommt vor allem Pseudomonas aeruginosa vor, gefolgt von Staphylococcus aureus, Enterobaceriaceae (Proteus-, Klebsiella-Arten) und Anaerobiern (Bacteroides spp., Prevotella, Peptostreptokokken, Fusobakterien). Häufig treten aerob/anaerobe Mischinfektionen auf. In seltenen Fällen wird die Infektion durch Mycobacterium tuberculosis verursacht.
Klinik
Wechsel symptomfreier oder symptomarmer Intervalle mit akuten Exazerbationen einer Otitis media chronica mit Schmerzsymptomatik, Hörminderung und häufig Sekretbildung.
Diagnose
Die Diagnose erfolgt durch Inspektion des Trommelfells. Bei Schleimhautentzündungen bilden sich häufig ein schleimiges und eitriges Sekret. Bei einem Cholesteatom ist dieses Sekret fötid.
Therapie
Die Anwendung ototoxischer Ohrentropfen (z.B. Aminoglykoside) muss wegen des Trommelfelldefekts unterbleiben. Möglich sind Fluorchinolon-haltige Zubereitungen, die aber als alleinige Therapiemaßnahme häufig nicht ausreichend sind.
Für die kalkulierte systemische Initialtherapie sollten Antibiotika mit Pseudomonas- und Anaerobier-Wirksamkeit und eingesetzt werden. Dies sind vor allem Ciprofloxacin und Levofloxacin (nicht bei Kindern) in Kombination mit Clindamycin oder Metronidazol. Die Applikation ist in der oralen oder parenteralen Form möglich. Als Alternative stehen bei schweren Verlausformen in parenteraler Form Piperacillin/BLI, Cephalosporine der Gruppe 3b (Ceftazidim) bzw. 4 (Cefepim) jeweils in Kombination mit Clindamycin oder Metronidazol sowie die Carbapeneme Imipenem/Cilastatin oder Meropenem zur Verfügung.
Nach dem Vorliegen der Ergebnisse der mikrobiologischen Diagnostik wird gezielt behandelt.
Die Gefahr eines unbehandelten Cholesteatoms besteht in Zerstörung von Knochenelementen und einer Fortleitung auf Hirnnerven und Hirnhäute. Eine alleinige Antibiotika-Therapie ist nicht ausreichend. Die saniernde Therapie ist die mikrochirurgische Behandlung mit einem Verschluss des Trommelfells und Choleastomentfernung.
Otitis externa diffusa
Akute oder chronische Entzündung von Kutis und Subkutis des äußeren Gehörgangs ohne/mit Beteiligung des Trommelfells.
Epidemiologie/Erreger
Die Otitis externa tritt gehäuft in der Badesaison auf, da ein feucht-warmes Klima Infektionen begünstigt. Oft liegen kleinere Schädigungen der Haut durch unsachgemäße Reinigung des Gehörgangs, Druckstellen von Hörgeräten oder eine Verengung des Gehörgangs durch Exostosen und Aufstau des Cerumens vor. Bei Allergien auf Pflegeprodukte (z.B. Kosmetika, Haarwaschmittel) besteht eine erhöhte Disposition.
Häufigste Erreger bei Erwachsenen sind Staphylococcus aureus, Pseudomonas aeruginosa, Streptococcus pyogenes, Proteus Arten und andere Enterobaceriaceae. Herpes Simplex Viren und Varicella Zoster Viren aber auch Candida und Aspergillus Arten können Infektionen verursachen.
Bei Pseudomonaden besteht die Gefahr einer Ausbreitung auf knöcherne Strukturen (siehe Otitis externa maligna). Dies gilt insbesondere für ältere Risikopatienten mit Diabetes mellitus oder Patienten mit Immunsuppression.
Klinik
Leitsymptome sind Juckreiz, Rötung, Schwellung, Schmerzen und Hörminderung. Wichtiges klinisches Symptom ist der Tragusdruckschmerz. Oft findet sich eine Verstärkung der Schmerzsymtomatik, wenn die Ohrmuschel nach hinten oben gezogen wird. In einigen Fällen bildet sich eitriges Sekret aus. Bei Infektionen durch Herpes Simplex Viren bilden sich Bläschen an der Gehörwand.
Diagnose
Die Diagnose erfolgt durch Inspektion, Palpation und Ohrmikroskopie. Gegebenenfalls wird eine Allergietestung empfohlen. Bei Risikopatienten sollte eine mikrobiologische Diagnostik von Abstrichen durchgeführt werden.
Therapie
In der Regel ist eine ambulante Therapie möglich. Wichtigste Maßnahme ist die sorgfältige Reinigung des Gehörgangs. Nach Ausschluss einer Trommelfellperforation kann bei unkomplizierter Otitis externa eine lokale antiseptische, antibakterielle oder antimykotische Behandlung beispielsweise durch Einlegen getränkter Gazestreifen oder der Applikation spezieller Fertigpräparate für den Ohrbereich erfolgen. Zur lokalen antientzündlichen Therapie können Glukokortikoide gegeben werden. Bei Bedarf sollte eine analgetische Therapie durchgeführt werden. Ein Rückgang der Beschwerden sollte auf diesem Weg innerhalb von 2 bis 3 Tagen eintreten.
Abszesse sollten chirurgisch durch Spaltung behandelt werden. Bei Gehörgangsexostosen wird eine Gehörgangserweiterung im Intervall empfohlen.
Bei einer Ausbreitung bakterieller Infektionen und schweren Verlaufsformen sollte eine systemische Therapie durchgeführt werden. Zur initialen kalkulierten Therapie, die das Auftreten von Pseudomonaden berücksichtigen muss, wird die Gabe von Ceftazidim, Cefepim, Piperacillin/BLI
Ciprofloxacin oder Levofloxacin empfohlen. Die Therapiedauer sollte 10 Tage betragen.
Otitis externa maligna (Otits externa necroticans)
Schmerzhafte Gehörgangsentzündung mit invasiver Knorpel- und Knochendestruktion verursacht durch Pseudomonas aeruginosa.
Epidemiologie/Erreger
Die Otitis externa maligna ist eine eher seltene Erkrankung, die immer durch Pseudomonaden verursacht wird und insbesondere bei Diabetikern und Patienten unter Immunsuppression auftritt.
Klinik
Persistierende Otitis externa diffusa mit granulierender, teils ulzerierender Ausbreitung.
Diagnose
Die Diagnose erfolgt durch Inspektion, Palpation und Ohrmikroskopie.
Zur Labordiagnostik werden Differentialblutbild, CRP, und Blutzuckernachweis empfohlen. Der kulturelle mikrobiologische Nachweis von Pseudomonaden erfolgt aus dem Abstrich. Eine Beteiligung von Knochenstrukturen kann durch CT/MRT der lateralen Schädelbasis nachgewiesen werden. In Einzelfällen kann auch eine Szintigraphie sinnvoll sein. Des weiteren sollte eine Funktionsuntersuchung kaudaler Hirnnerven sowie eine Hör- und Gleichgewichtsprüfung vorgenommen werden.
Therapie
Eine unbehandelte Infektion verläuft meist tödlich. Es ist daher eine sofortige parenterale stationäre Antibiotika-Therapie in hoher Dosierung einzuleiten. In Frage kommen Piperacillin, Cefepim, Ceftazidim, Ciprofloxacin, Levofloxacin, Imipenem/Cilastatin oder Meropenem. Die bsten Therapieerfolge sind in der Vergangenheit mit Ciprofloxacin berichtet.
Die Therapiedauer sollte etwa 6 Wochen betragen. Wird auf Grund einer ungünstigen Resistenzlage mit einem Aminoglykosid therapiert (z.B. Tobramycin), so muss der Serumspiegelverlauf wegen des hohen ototoxischen Potenzials dieser Substanzgruppe kontrolliert werden. Günstig ist eine 1 x tägliche Dosierung mit hohen Spitzenspiegeln und niedrigen Talspiegeln.
Gegebenenfalls kann eine zusätzliche Lokalbehandlung mit Pseudomonas-wirksamen Antibiotika-Tropfen oder getränkten Gazestreifen sinnvoll sein.
Bei Diabetikern muss die Grunderkrankung durch eine optimale Blutzuckereinstellung gewährleistet sein. Der Gehörgang ist täglich sorgfältigst zu reinigen.
Eine chirurgische Intervention ist bei Abszessen, Sequestrierung und nicht Ansprechen der genannten therapeutischen und konservativen Maßnahmen notwendig.