Odontogene Infektionen
Odontogene Infektionen gehen von den Zähnen oder dem Zahnhalteapparat aus. Die häufigsten Krankheitsbilder sind Zahnkaries, Stomatitis, Gingivitis, Periodontitis, Pericoronitis und Abszesse. Sie führen zu Entzündungen in der unmittelbaren Umgebung, können sich aber auch auf lymphogenem oder hämatogenem Weg ausbreiten. Je nach Immunstatus des Patienten und Lokalisation der Infektion zeigen sie oft eine blande, in einigen Fällen aber auch schwere Verlaufsform mit lebensbedrohlichen Komplikationen. Besonders gefährdet sind Patienten mit Herzklappenfehlern und künstlichen Herzklappen.
Odontogene Infektionen sind sehr häufig. Periorodentale Erkrankungen und Zahnkaries sind in der Regel Ursachen für Zahnverluste und haben daher eine hohe Bedeutung. Dennoch liegen sehr wenige Daten hinsichtlich einer Evidenz- basierten Empfehlung zur Indikation einer Antibiotika-Therapie und der Auswahl geeigneter Substanzen vor.
Es besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Infektionen und der Ausbildung von Plaque, auf der erhebliche Mengen verschiedenartiger Bakterien nachgewiesen werden können. Prädisponierende Faktoren sind daher vor allem unzureichende Zahnhygiene, aber auch zunehmendes Alter, hormonelle Einflüsse durch Pubertät, Menstruation oder Schwangerschaft sowie Grunderkrankungen wie Diabetes oder maligne oder genetische Erkrankungen mit Einfluss auf die Funktion der Neutrophilen spielen eine Rolle. Präventive Maßnahmen sind von hoher Bedeutung.
Es sind dies
- Professionelle Zahnpflege mit Bürste und Zahnseide nach jeder Mahlzeit
- Reduzierte Zufuhr kohlenhydratreicher Nahrung (Zucker)
- Topische Fluorid-Behandlung
- Antiseptische Mundspülungen bei Risikopatienten
- Minimierung der Risikofaktoren wie Rauchen
- Regelmäßige Inspektion durch den Zahnarzt
Meist handelt es sich um bakterielle Erkrankungen, aber auch Viren oder Pilze können als Erreger vorkommen. Fast immer liegen Mischinfektionen mit drei bis sechs Erregern vor, an denen anaerobe und häufig auch aerobe Bakterien beteiligt sind. Zwischen Erregern und einer Begleitflora kann nicht eindeutig differenziert werden. Die normale Mundflora besteht aus mehr als 300 verschiedenen, teilweise noch unerforschten Mikroorganismen. Als Erregern odontogener Infektionen konnten Porphyromonas gingivalis, Prevotella intermedia, Bacteroides forsythus, Peptostreptococcus micros, Fusobacterium nucleatum, Veillonella parvula, Eubacterium spp., Campylobacter rectus, Streptococcus intermedius, Actinobacillus actinomycetemcomitans, Eikanella corrodens, Capnocytophaga gingivalis, Staphylococus aureus und Lactobacillus spp. identifiziert werden (AWMF).
Bei den klinischen Symptomen odontogener Infektionen dominieren im Rahmen lokal begrenzten Erkrankungen vor allem Schmerz, Schwellung, Karies, Lockerung der Zähne und weitere Funktionseinschränkungen des Kauapparates. Daneben kommen bei schweren Verlaufsformen auch systemische Infektionszeichen wie Fieber, Schüttelfrost und je nach Krankheitsbild Fistelung, Weichgewebenekrosen und Lymphadenitis vor. Infektionen und Abszesse, die mit Schluckbeschwerden bzw. Atembehinderung einhergehen, oder Risikopatienten sollten nach den Empfehlungen der DGMKG stationär behandelt werden. Den größten Anteil machen die lokalen Infektionen aus, die ambulant behandelt werden können.
Die Therapie erfolgt mit dem Ziel, Form und Funktion der Zähne und des Zahnhalteapparates durch Beseitigung der Ursache und Behandlung der entzündlichen Veränderung zu erhalten. Hier stehen konservative Behandlungen im Vordergrund, gegebenenfalls muss auch eine chirurgische Sanierung vorgenommen werden. Lokale Maßnahmen sind Spülungen, Desinfektion, Trepanation, Wurzelkanalbehandlung und Kälte-/Wärmebehandlung. Die Indikation für systemische Antibiotika-Therapien muss situativ erfolgen, wenn lokale Maßnahmen ohne Erfolg waren und/oder das Risiko einer fortgeleiteten Infektion besteht.
Zur antiinfektiven Therapie der Zahnkaries liegen keine Untersuchungen vor. Obwohl die chronisch verlaufende Erkrankung der fortschreitenden Zerstörung der Zahnsubstanz ursachlich auf eine Besiedlung der Zahnoberfläche mit kariösen Mikroorganismen und einen regelmäßigen Konsum von Kohlenhydraten zurückgeführt werden kann, gilt Karies nicht als klassische Infektionserkrankung. Stomatitis oder Gingivitis sind Infektionen der Mundschleimhaut. Bei oberflächlichen Erkrankungen handelt es sich meist um virale Infektionen (Herpes-Viren, Coxsackie-Viren, ECHO-Viren, Varizella-Viren), die symptomatisch behandelt werden. Infektionen tiefer liegender Schichten, die bis zum Knochen reichen können, sind ebenso wie die Perodonitis in der Regel bakteriell bedingt. Die Gingivitis tritt vor allem bei Kindern auf, die Periodonitis kann jedes Alter betreffen, kommt aber mit zunehmendem Alter gehäuft vor.
Die Diagnose odontogener Infektionen wird durch Inspektion, Palpation, Perkussion und Sensibilitätsprüfung gestellt. Bei ausgedehnten Abszessen, Phlegmonen, Infiltraten und chronischer Erkrankung sind eine mikrobiologische Diagnostik und weiterführende Untersuchungen (bildgebende Verfahren, Labor) sinnvoll.
Zur empirischen Therapie odontogener Infektionen werden Substanzen oder Kombinationen bevorzugt, die wirksam gegenüber Anaerobiern und grampositiven Kokken sind. In Studien haben sich Penicilline, Aminopenicilline mit und ohne Beta-Lactamase-Inhibitor, Cephalosporine der Gruppe 2, Clindamycin und Metronidazol als wirksam erwiesen. Bei Unverträglichkeiten können auch Makrolide gegeben werden. Tetracycline werden nicht mehr empfohlen.