Infekt-Liga

Frühgeburtenprophylaxe


Aktueller Stand der Frühgeburtenvermeidungsaktion

U.B. Hoyme
Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, HELIOS Klinikum Erfurt GmbH, 99089 Erfurt, Nordhäuser Str. 74

In 16 der insgesamt 29 Erfurter Frauenarztpraxen wurde Schwangeren angeboten, an einer Frühgeburten-Vermeidungs-Aktion teilzunehmen. Interessierte Patientinnen erhielten Informationsmaterial sowie eine Messausstattung (Careplan VpH-Handschuhe) und wurden angeleitet, vaginale pH-Messungen 2 x wöchentlich selbst vorzunehmen. Die Schwangeren waren dahingehend aufgeklärt, bei erhöht gemessenen pH-Werten (> 4,7) oder anderen Auffälligkeiten ihren betreuenden Arzt umgehend zu konsultieren, um gegebenenfalls mit Lactobacillus-Präparaten oder bei gesicherter Bakterieller Vaginose mit Clindamycin-Creme i.vag. behandeln zu lassen.

In der Untersuchung wurden 73 von 381 Frauen in der Interventionsgruppe als risikobelastet identifiziert. 58 von ihnen wurden mit der Lactobacillus-Zubereitung behandelt, 24 z.T. darüber hinaus mit Clindamycin-Creme. 3 Schwangere entzogen sich der Therapie. Die Frühgeburtenrate betrug 8,1 % unter pH-Selbstmessung bzw. Intervention vs. 12,3 % in der Kontrollgruppe (n=2.341). 0,3 % vs. 3,3 % der Neugeborenen zählten zur Gruppe der Frühen Frühgeborenen mit < 32+0 Schwangerschaftswochen (p< 0,01). Ein vorzeitiger Blasensprung trat in 22,8 % vs. 30,8 % (p< 0,001) auf.

In einer zweiten Erhebung wurde versucht, beginnend mit März 2000, sämtliche Schwangeren im Land Thüringen über die betreuenden Frauenärzte mit dem Messhandschuh auszurüsten. Als Hypothese für den Erfolg dieser Aktion gilt die Annahme, dass die Frühgeburtlichkeit beginnend mit Juli 2000 einen deutlichen Abfall aufweisen muss, was über die Perinatalerhebung des Landes zu bewerten ist. Die Resultate der Aktion im Raum Erfurt zeigen u.a. einen Rückgang der Frühgeburtlichkeit von 7,68 auf 6,81 % bzw. einen Rückgang der frühen Frühgeburten von 3,22 auf 2,39 %, jeweils auf das erste bzw. zweite Halbjahr bezogen (n = 1600). Besonders auffällig ist die Tatsache, dass bei den frühen Frühgeburten 19 vs. 0 vorzeitige Blasensprünge auftraten.

Auf der Basis der Auswertung für das Land Thüringen, die alle über die Perinatalerhebung erfassten Entbindungen (n=16276) einbezieht, ist ebenfalls ein klares Resultat abzulesen: Sowohl die Gesamtzahl der frühen Frühgeburten (1,58 vs. 0,99 %, p < ,001) als auch der untergewichtigen Kinder war im zweiten Halbjahr entsprechend der im Ansatz formulierten Hypothese signifikant geringer, z.B. unter 1000 g 0,61 % vs. 0,38 % (n=16582, p < ,05). Die dargestellten Zahlen der Perinatalerhebung 2000 des Landes sprechen aus unserer Sicht für die Ausweitung der Aktion auf die Bundesrepublik Deutschland. Ein weiteres Argument ist auch die Beobachtung, dass nach Beendigung der Kampagne die Frühgeburtenraten wieder auf das gleiche Niveau wie vor der Aktion angestiegen sind.

Zugleich prüfen seit Oktober 2003 vier Ersatzkassen (Kaufmännische Krankenkasse, Barmer Ersatzkasse, Techniker Krankenkasse, Hamburg-Münchener Krankenkasse) in fünf Bundesländern (Bayern, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Thüringen) die Effizienz und die Kostenaspekte der Strategie in einem wissen-schaftlichen Projekt. Die 12/2008 vorliegenden Zahlen sprechen für eine Halbierung der besonders komplikationsträchtigen frühen Frühgeburtlichkeit!